Der spanische Choreograf Nacho Duato reist zurück."Erde"

Verfasst von: Dipl. Päd. u. Theaterpädagogin Selena Plaßmann
Erden-Früchte
Erden-Früchte  Bild: Selena Plaßmann
„Erde“ war die letzte Choreografie des aus Valencia stammenden Ehrenbürger und Tänzer Nacho Duato für das Staatsballett Berlin. Der blaue Planet aus der Weltraum-Perspektive betrachtet; geheimnisvoll leuchtend und anziehend, offenbart in dem Werk einen Kubus aus transparentem Plastik. Der mit Kulturpreisen ausgezeichnete Künstler Duato wird im internationalen Lexikon des modernen Tanzes als ein Choreograph beschrieben, der, wie es die Schamanen tun, kraftvolle alte Riten in eine universelle Sprache übersetzt.

Inspiriert wurde Erde von einem Zitat aus der berühmten Rede, die dem „ökologischen Visionär“ und Indianerhäuptling Seattle zugeschrieben wird: "Erst wenn der letzte Baum gefällt ist, der letzte Fluss verseucht ist, werdet ihr feststellen, das man Geld nicht essen kann“. Im Kubus, dem Grundmodell für ein geschlossenes Ökosystem, gestalten Tänzer synchrone und minutiös versetzte Bewegungsabläufe, wodurch Gebirge, Vulkane, weite Landschaften entstehen. Es wird sichtbar, wie verbunden Organismen metaphorisch sind. Geschöpfe aus der Mythologie und anderen Dimensionen integriert Duato als Gegenspieler von Eindringlingen, die die Erde auszubeuten und zu zerstören trachten, indem sie giftige Dämpfe und Atommüll in den Weltraum schleudern. Die Gedanken von Greenpeace-Aktivisten unterstützen den Prozess der Bewegungsfindung.

Der Doppelabend Duato / Shechter in der Komischen Oper zeigte schon in „The Art of not looking back“ des britisch-israelischen Choreographen Hofesh Shechter, dass Tänzer über Grenzen gehen, um zu verdeutlichen, wie durch Traumata in der Kindheit die Individualität verletzt wird und eine verstörte Wahrnehmung, eine Kette dramatischer Ereignisse heraufbeschwört. Erde (2017) beschreibt den Übergang ins Anthropozän; eine neue geologische Epoche. Der Verlust,die Sehnsucht nach der ursprünglichen Heimat ist ein schmerzlicher Prozess. Zwanzig Jahre lang hatte Duato in Spanien für die Compania-Nacional gearbeitet, bevor er einer Einladung nach St. Petersburg als künstlerischer Leiter des Mikhailovsky-Theaters folgte. Dort brillierte er 2011 mit seiner Interpretation des Ballettklassikers Dornröschen vom „Urvater“ Marius Petipa.

Königsreich im Dornröschen-Ballett (Bild: Selena Plaßmann)

„Dornröschen“ wählte Duato 2014 mit einer herausragenden Ensemblebesetzung für seinen Einstieg als Intendant des Staatsballetts Berlin. Einige der deutschen Kulturpolitiker, die die klassische Tanzkunst für einen aus der Mode gekommenen Alten Hut halten, waren darüber konsterniert. In der Deutung des Märchens sind die archetypischen Kräfte des Männlichen und Weiblichen - dargestellt durch König und Königin - ins Ungleichgewicht geraten. Erst durch den Prozess der Bewusstwerdung, dass im Königreich das männliche Prinzip dominiert, kommt es zur Annäherung und Dornröschen wird geboren. Die dreizehnte Fee, Repräsentantin des weiblichen Aspekts im Mondzyklus, wird zur Geburtstagsfeier nicht geladen. Sie versetzt daraufhin den Hofstaat in einen hundertjährigen Tiefschlaf, wodurch die Zeit Gelegenheit bekommt, die Verletzungen zu heilen. Die „böse“ dreizehnte Fee Carabosse tanzte in Berlin der russische Tänzer Rishat Yulbarisov mit einer köstlich lasziven, transsexuellen Anmutung.

Nikolay Korypaev als Blauer Vogel (Bild: Selena Plaßmann)

Der Rosengarten im Märchenballett Dornröschen könnte dem Abbild des Rosen-Labyrinths der französischen Kaiserin Josèphine entsprungen sein. Verziert wurde das Bühnenbild mit zwei goldenen Pfauen, um die sich in alten Mythen Legenden um wahre Liebe, Schönheit und Unsterblichkeit ranken . “Was sind schon drei Stunden Spitzentanz zu den 100 Jahren, die Dornröschen auf ihren Prinzen warten muss“. ( Morgenpost, Volker Blech) Der charismatische Choreograf Nacho Duato inspirierte in Berlin ein über die Ballettanhänger hinausgehendes Publikum und erweiterte das Repertoire. Jetzt beabsichtigt er zurück nach Madrid zu gehen, um von dort mit einer Touring-Compagnie konträr zur Tanzmaschinerie und teuren Eintrittspreisen großer Theaterbühnen seine exquisite Tanz-Kunst der Welt zu zeigen.. “Reisen bringt die Seele nach Hause“ (Bettina von Arnim), “verwandelt wunderbar den Geist und räumt mit all unseren Vorurteilen auf.“ (Oskar Wilde).

Space-Fruits (Bild: Selena Plaßmann)

Sonden umkreisen das Sternenfirmament auf der Suche nach neuen Lebensräumen und um den Rätseln des menschlichen Lebens auf die Spur zu kommen. Das Weltraumteleskop erspähte Kepler-zzb einen Planeten, wo Leben möglich sein könnte. (Tagesspiegel,2013) In der Männerdomäne der Raumfahrtgeschichte, wo Frauen nicht als Wissenschaftlerinnen anerkannt wurden, sondern offiziell nur als Assistentinnen ihrer männlicher Kollegen fungierten, ist eine Richtungsänderung hin zum weiblichen Prinzip zu verzeichnen. In der Science-Fiction-Literatur sind Frauen bereits im Weltraum präsent: Der Film CONTACT basierend auf dem Roman des Astronomen Robert Zerneckis, der über die Möglichkeit außerirdischen Lebens promovierte, zeigt die Bemühungen der Astronautin Dr. Arroway (gespielt von Jodie Foster) Signale außerirdischer Intelligenzen zu verifizieren. “Es wäre ziemliche Platzverschwendung, wären wir die einzigen im All.“ Im Roman „The Eleven Million Dancer“ fliegt die Astronautin Amanda, den Spuren ihres Katers folgend, ins Welten-All.

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