Mit Grundeinkommen gegen Armut?

Verfasst von: Gisbert Kühner
SGB II
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Die Altersarmut steigt und wird weiter steigen. Genauso steigt die Zahl der Niedrigverdiener und die üblichen Erwerbsbiografien wechseln von stabilen in unstabile, prekäre Beschäftigungsmodelle. Das ist die Saat für Armut. Es ist Zeit, dass die politische Klasse Kante zeigt und offiziell verkündet: Die Rente ist unsicher. Viele Rentner werden nur noch Leistungen auf Sozialhilfeniveau bekommen. Im Bundestagswahlkampf fiel gelegentlich der Begriff bedingungsloses Grundeinkommen. Ist das die Lösung für die Probleme?

Im Grunde genommen ist bedingungsloses Grundeinkommen eine alte Idee. Bereits im 18. Jahrhundert wollte Thomas Spencer mit einem Grundeinkommen die Armut für immer beseitigen. Auch Charles Fourier befasste sich in „Die falsche Industrie“ mit dem Thema. 1962 ging Milton Friedman in „Kapitalismus und Freiheit“ auf das Grundeinkommen ein. Als neuer Wein in alten Schläuchen wird in regelmäßigen Abständen das Wunderheilmittel aus dem Hut gezaubert. In Brasilien und Nambia sind jeweils Pilotprojekte geplant. Aber umgesetzt ist noch nichts. Die Schweizer sind auf dem Weg dahin. Anderthalb Jahre haben sie Unterschriften gesammelt. 126408 Stimmen, ausreichend um eine Volksabstimmung zu initiieren. In 2 bis 3 Jahren könnte eine Volksabstimmung auf dem Plan stehen.

best ager (Bild: bestagerimfeld_id_8888234158, SalFalko-57567419)

2500 Franken soll jeder in der Schweiz bekommen, für Kinder ein Viertel. Nach Berechnungen würde das ca. 200 Milliarden kosten, ein Drittel des Schweizer Bruttoinlandsprodukts. Warum setzen moderne Gesellschaften das Modell des Grundeinkommens nicht ein? Kritiker führen ins Feld, dass der Mensch an sich bequem ist und sich, wenn er versorgt ist, lieber aufs Sofa setzt oder in die Hängematte legt als zu arbeiten. Die Befürworter sehen die Gefahr dieser Entwicklung nicht. Der Mensch würde schon immer auch selbstbestimmt arbeiten, u.z. für das Gemeinwohl oder ehrenamtlich ohne Vergütung. Hier liegt aber der große Unterschied. Haushalts- oder Erziehungsarbeit bis hin zur häuslichen Pflege hat für die Ausführenden einen Nutzen per se.

Am Rande der Zeit (Bild: -id-4806527130, Urbanar)

Erwerbsarbeit dient dagegen in überwiegendem Maße der Sicherung der Existenz. Rentenbezieher, die gewollt oder ungewollt aus dem Arbeitsprozess ausgegrenzt sind, zeigen, dass sie ohne Erwerbsarbeit leben können ( - auch bei geringerem Einkommen). Andererseits empfinden viele eine Leere, wenn sie keine sinnstiftende Beschäftigung in ihrem letzten Lebensabschnitt haben. Der moderne Sozialstaat steht den unterschiedlichsten Widersprüchen gegenüber, die ein „weiter so“ verbietet. 1. Unsere Gesellschaft ist reich. Wir verfügen über so viel Güter wie noch nie. Und niemals ist dieser Reichtum mit einem so geringen Einsatz menschlicher Arbeitskraft erzielt worden. Nutznießer davon sind aber nur wenige, die Reichen werden immer reicher. Die Menschen auf der anderen Seite, die Armen, aber immer ärmer.

Sie spielt hier öfter (Bild: id 5032264775, Urbanart)

Die Erwerbsarbeit ist in gleichem Maße zurückgegangen. Obwohl die Produktivität permanent steigt, ist die Zahl der Erwerbslosen in den OECD-Staaten von 10,3 Millionen in den 1970-er Jahren 25 Jahre später auf 35 Millionen gestiegen. Global übertragen heißt das, reiche Nationen werden immer reicher, arme dagegen immer ärmer. 2. Die 3 Bismarck’schen Säulen unseres Sozialstaates sind in eine Schieflage gekommen. Statt stabiler Beschäftigungsbiografie überwiegt heute unterbrochene, teilweise prekäre Beschäftigung. Die Zahl derer, die trotz Arbeit arm sind, ist zu groß. Statt stabiler familiärer Bündnisse finden wir Patchwork- Familien, starke Tendenzen zu Single-Dasein und Gebärverweigerung vor. Und 3. ist die Lebenserwartung heute ( erfreulicherweise ) deutlich höher wie noch vor ein paar Jahren.

Pusteblume (Bild: id-5713577936, missresincup_9486739)

Dieser Aggregatszustand ist nicht mehr umzukehren. Der Sozialstaat muss angepasst werden. Unter dieser Vorgabe erscheint die Diskussion über das bedingungslose Grundeinkommen in einem anderen Licht. 2 Varianten des Grundeinkommens werden angeboten: 1. Die Sozialdividende, die an jeden in gleicher Höhe ausgezahlt wird, also ein Kopfgeld. 2. Die negative Einkommensteuer, bei der das Grundeinkommen dem Erwerbsentgelt angerechnet wird. Andere Modelle sind Variationen, wie z.B. das Althaus-Modell, das unterschiedliche Beträge je nach Erwerbssituation macht oder das „liberale Modell“ der FDP, das ein Grundeinkommen nur für die Bedürftigen vorsieht. Allen Varianten und Modellen gemeinsam ist der Gedanke, Armut zu verhindern, die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen aber auch den Verwaltungsapparat deutlich zu entlasten. Eine Pauschalsteuer könnte Sozialleistungen, wie Hartz IV, Wohngeld und Kindergeld ersetzen.

Euro-Money (Bild: id-10927564436, Butz 2013)

Die politische Klasse jagt ein Phantom: die Vollbeschäftigung. Sie ignoriert, dass wir heute und in Zukunft mit einer Sockelarbeitslosigkeit kalkulieren müssen, die weit vom Idealzustand der Vollbeschäftigung entfernt sein wird. Kurt Beck sprach einmal von „abgehängtem Präkariat“ und meinte den Bodensatz der ALGII-Bezieher, auf dem wir sitzen bleiben. Obwohl er die Wahrheit beim Wort nannte, bezog er Prügel dafür. Der Sozialstaat alter Prägung hat ausgedient. Er lässt sich auch nicht dadurch reparieren, dass man Transferleistungen reduziert oder die Verantwortung für ein Beschäftigungsverhältnis auf die Arbeitskraftbesitzer abwälzt. Götz Werner nennt Hartz IV „offenen Strafvollzug“ “ und meint damit den aktivierenden Sozialstaat, der im Fordern Spitze ist, im Fördern ist er eher Kreisklasse.

Euro-Money (Bild: id-10927564436, Butz 2013)

Die Einführung des Grundeinkommens wäre ein epochaler Paradigmenwechsel wie einst die Bismarck’schen Sozialgesetze. Durch diese Veränderung würde unser Sozialstaat komplett runderneuert. Das Bismarck´sche Modell hat für seine Zeit gepasst. Die Bedingungen des Sozialstaats sind heute andere und erfordern andere Lösungen. Die Erwerbsarbeit reicht nicht mehr für alle und lässt Armut zurück. Andere Arbeitsmodelle wie Erwerbsarbeit werden bedeutender. Ehrenamtliche Arbeit und Arbeit für das Gemeinwohl bekommt Anreize, wenn die Teilhabe über ein Grundeinkommen gesichert ist. Im Übrigen erleben wir in Deutschland gerade den Einstieg in das bedingungslose Grundeinkommen. Die großen Parteien sind sich über eine Mindestrente einig. Mit ihr soll die Altersarmut bekämpft werden. Bleibt noch die Frage, wie das Grundeinkommen für alle finanzierbar ist. Man rechnet für die Einführung je nach Ausgestaltung mit einer Belastung zwischen 250 Milliarden bis 800 Milliarden EURO.

Torsten Hammerschmidt Torsten
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